Ein Seminarbericht von Chiara zur Fahrt in die Kulturhauptstadtfahrt 2015 Plzen mit dem FSJ Kultur-Jahrgang 2014/15.
Wir schreiben das Jahr 1295: König Wenzel II. regiert seit einiger Zeit erfolgreich und diplomatisch über Böhmen. Um seinem Königreich noch mehr Würde und Glanz zu verleihen, beauftragt er seinen Lokator Heinrich damit, einen geeigneten Ort für die Gründung einer neuen Königsstadt zu finden. Geplant als eine der größten und bedeutendsten böhmischen Städte, wurde also Pilsen erbaut …
720 Jahre später wagen wir einen Blick auf die Stadt, die neben ihrem imposant angelegten mittelalterlichen Marktplatz vor allem für Bier und Autos bekannt geworden ist. Ahoj und los geht’s!
[Am Ende gibt es noch ein tolles Video zur Seminarfahrt!]
Kultur macht lustig,
Kultur macht Musik.
Kultur macht Freude,
Wir ham uns alle lieb.
Pünktlich zum Sonntagmorgen begannen wir von Magdeburg aus unsere Reise Richtung Tschechien. Nach einem kurzen Stopp in Halle, wo die restlichen FSJler_innen zustiegen, waren zum ersten Mal alle Seminargruppen samt Teamer_innen gemeinsam unterwegs. Die Vorfreude war groß.
Nach einer entspannten Fahrt mit einem sehr freundlichen Busfahrer, erreichten wir am späten Nachmittag unser Hotel in Pilsen und bezogen unsere Zimmer. In den 1930er Jahren erbaut, wurde das Hotel 40 Jahre später renoviert und das Interieur der Zimmer seitdem nicht mehr groß verändert. Die Bettdecken zierte noch das Emblem der »Interhotels«, aber nach anfänglichem Staunen gewöhnten wir uns schnell an unsere nostalgische Unterkunft. Die Lage war zentral in der Innenstadt direkt neben einer neuen Parkanlage. Alles war zu Fuß innerhalb weniger Minuten erreichbar. Kein Wunder also, dass wir zu unserem ersten Reiseziel spazierten: dem Restaurant »Na Spilce«, das einer Brauerei zugehörig ist und angeblich das größte Restaurant in ganz Tschechien. Wir speisten in einem altehrwürdigen Keller und kamen auch in den Genuss des berühmt-berüchtigten »Pilsener Urquells« – einem Bier, für dessen Herstellung man im 19. Jahrhunderts eigens einen Bayer als Braumeister nach Pilsen berufen hat, um die Qualität des Bieres zu verbessern. Mit Erfolg!
So stehe ich und starre,
bis der Vorhang fällt
mit dem dunklen Kranz aus Federn,
bis die Puppe ihre Augen schließt
und ich den Lichtreflex
in ihren Augen nicht mehr sehen kann.
Ich streife durch die Innenstadt,
wie durch hohes dichtes Gras.
Das Puppenspiel hat in Pilsen eine lange Tradition, sodass es durchaus eine eigene Ausstellung wert ist. Über drei Stockwerke hinweg wurden die bedeutendsten Puppenspieler-Familien und Ensembles samt ihrer berühmtesten Marionetten vorgestellt. Ein besonderer Höhepunkt war das Theater in der dritten Etage, in dem man sich selbst am Puppenspiel probieren durfte.
Andere besuchten die Ausstellung über den Puppenbauer und Künstler Jirí Trnka, stiegen in die alten Bierkeller von Pilsen oder auf ein Hochhaus um auf Pilsen hinabzuschauen oder sahen sich eine Fotoserie über das Leben in der Stadt im Neuen Theater an.
Am Nachmittag fuhren einige dann mit der Straßenbahn zum Stadtrand von Pilsen um auf Wanderung in die nahen böhmischen Wälder zu gehen. Besonders einprägsam war hierbei ein kleiner See, dessen Horizont neben Bäumen auch von Plattenbauten und Fabrikschornsteinen begrenzt wurde. Pilsen ist schließlich auch Industriestadt.
Am Abend fand ganz im Zeichen dessen in einer alten Fabrikhalle die Aufführung des deutsch-tschechischen Theaterprojekts »Cojc« mit über neunzig beteiligten Jugendlichen statt. Beeindruckend!
Seminar in Pilsen, FSJ 2015/16
Sie ist ein Teil von jedem,
dem man Zeit geben muss.
Reise mit deiner Seele,
reise zu Fuß.
Diese Diskussion wurde von einigen am nachmittag noch fortgeführt.
Am Abend besuchten einige von uns eine Tanz-Performance über die Geschichte Tschechiens in den letzten sieben Jahrzehnten. Eine Aufführung, die fast ganz ohne Worte auskam, aber durch ihre Bilder glänzte.
Ich verweile,
um mich zu verlieren.
Am frühen Abend ging es dann für einige zu einem Konzert der Regensburger Domspatzen in die alte Synagoge von Pilsen, der drittgrößten Synagoge der Welt. Der Auftritt des Chores war ein Geschenk der Partnerstadt Regensburg und ein natürlich ein voller Erfolg.
Alles, was man tut, tut man als Tourist,
der Fotos von schönen Häusern macht,
belanglose Postkarten schreibt
und in der Straßenbahn viel zu laut
über die Frau vor einem spricht,
da die es ja sowieso nicht versteht.
Hoffentlich.
FSJ Kultur Seminarfahrt Pilsen, FSJ 2015/16
Zum Ausklang unserer gemeinsamen Zeit, trafen wir uns später im Park, um gemeinsam bei Pizza, Gemüse und Obst zu picknicken. Wohl gestärkt besuchten wir im Anschluss noch die Vernissage zur Kunstausstellung „DEPO 2015“, die neben Fotografien und Installationen aus der Region auch Musik und Tanz bot.
Ein warmes Gefühl von Zuhause.
Aller Abschied ist schwer und am schwersten ist er, wenn er nach einer kurzen Nacht früh am Morgen passiert. Noch halb im Schlaf räumten wir unsere Zimmer, frühstückten ein letztes Mal am hoteleigenen Buffet und machten uns mit dem Bus auf die Heimreise. Ein Gedanke bleibt: Pilsen ist eine Überraschung. Auf den ersten Blick eine ruhige, schöne Stadt mit Brauerei und industriellen Wurzeln – auf den zweiten aber eine echte Perle voller Kultur, Geschichte und spannenden Orten zum Verweilen!
Was ich finde, was ich sehe,
Meine Sinne, meine Seele
Begleiten mich auf Reisen
Beflügeln meinen Freisinn.
Danke an Kirsten, Lisa, Nadia, Yommana und Christian für die tolle Organisation!
Seminar in Pilsen, FSJ 2015/16